Im
Herbst des Jahres 1890 schickte Zar Alexander III. seinen ältesten
Sohn Nikolai auf eine Weltreise. In Begleitung des Thronfolgers
befanden sich sein jüngerer Bruder Georgi und der Cousin Georg von
Griechenland. Sie bestiegen die Panzerfregatte Pamjat Asowa und
fuhren durch den Suez-Kanal nach Indien, Ceylon, Bangkok, Singapur,
Java nach Japan.
Der
Zarewitsch und seine Begleitung wurden mit höchsten Ehren begrüßt
und auf ihrer Reise zu den größten Kulturstätten von einer
Polizeieskorte begleitet. Am 11. Mai 1891 befand die Gesellschaft auf
der Rückreise von der Kaiserstadt Kyoto, als sie durch Ötsu kamen.
Sie ist Hauptstadt Japans im 7. Jahrhundert gewesen, mit vielen
Palästen und Tempeln, schön gelegen an dem pittoresken Biwa-See.
Hier kam es zu einem Zwischenfall, dessen Grund nie restlich geklärt
werden konnte. Ohne einen erkennbaren Anlass stürzte sich der
Polizist Tsuda Sanzo aus der Eskorte auf den Zarewitsch und schlug
ihm mit seinem Säbel auf den Kopf.
In
die Geschichte ist der Mordversuch an dem russischen Thronfolger
eingegangen als „Zwischenfall von Ötsu“. Nikolai wurde wie durch
ein Wunder nur leicht verletzt, die Reise durch Japan wurde aber
abgebrochen. Am 23. Mai landete die kaiserliche Reisegruppe in
Waldiwostok, wo der Zarewitsch gerade noch zurecht kam zur
Grundsteinlegung der Transsibirischen Eisenbahn durch seinen Vater.
Die Rückreise nach St. Petersburg quer durch Sibirien dauerte noch
weitere drei Monate. Kaum in Zarskoje Selo angekommen, schrieb
Alexander III. dem Tenno einen Brief, in dem er den Zwischenfall von
Ötsu zwar bedauerte, sich aber trotzdem dafür bedankte. War der Zar
verrückt geworden? Kam ja nicht selten vor unter den Romanows. Die
russische Öffentlichkeit verlangte vehement Strafaktionen gegen
Japan. Was war geschehen? Der Schlag des Polizisten Tsuda Sanzo auf
Nikolais Kopf hatte diesen von seinen quälenden Kopfschmerzen
befreit, unter denen der Zarewitsch seit seiner Kindheit gelitten
hatte. Heute würde man die Krankheit wahrscheinlich Migräne nennen.
Sie trat bis zu seinem tragischen Ende nie wieder auf.
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