Mittwoch, 7. Dezember 2016

Nikolaj S. Wawilow - Stalins Botaniker

Es war im Mai 1988, als ich zum ersten Mal in die Ulica Wawilowa kam, eine große Ausfahrtsstraße in Moskaus Südwesten. Dort wohnte in einem Diplomatenkomplex eine Freundin, die an der österreichischen Botschaft arbeitete. Mir sagte die Wawilow-Straße nichts, und ich fragte auch anfangs nicht nach dem Namensgeber. Auch kannte ich die Gegend von früher nicht, eine ziemlich neue, sich endlos hinziehende, gesichtslose Plattenbauwüste aus Chruschtowkas (schnell und billig aufgezogene 4-stöckige Wohnhäuser) und neuen Supermärkten. Im dritten Jahr von Gorbatschows „glasnost“ und perestroika“ tauchten immer mehr neue Straßen- und Ortsnamen auf oder erhielten ihre alten zurück. Die Gorki-Straße wurde wieder zur Twerskaja, die Gerzena zur Bolshaja Dmitrowka, die Klosterstadt Zagorsk zu Sergijew Posad, Stalingrad zu Wolgograd. Ich wußte nichts von der Tragödie, die sich hinter dem Namen Wawilow verbarg. Für mich ein beschämendes Beispiel, wie blind und blöd man herumtaumeln kann, wenn man die Geschichte nicht genügend kennt. Mir fiel bei meiner irrungsreichen Fahrt nur der gigantomanische Neubau eines Superbaumarkts ins Auge – Baumax ist gelandet.

Erst nachdem ich ein paarmal bei dieser Freundin zu Besuch gewesen war und an einem Kiosk zufällig eine 5-Kopeken-Sondermarke mit dem Konterfei des Akademik W.I. Wawilow, 1887 – 1943, entdeckt hatte, begann ich mich dafür zu interessieren, wer dieser Mann gewesen ist.
Nikolai Iwanowitsch Wawilow, 1887 in Moskau in einer Industriellenfamilie geboren, war zwischen 1910 und 1940 der berühmteste Botaniker, wenn man so will, der erste Genetiker überhaupt. Er sammelte in allen Erdteilen Pflanzen, ihre Früchte, Samen, Wurzeln, Knollen und Saatgut. In Petrograd richtete er die weltweit erste Samenbank ein und in Pawlowsk eine Versuchsfarm, gründete in der UdSSR über 40 Agrarinstitute und weitere 120 Experimentierstationen mit Testfeldern von Murmanks bis Jalta, von Kaunas, Lemberg bis Wladiwostok. In den besten Zeiten arbeiteten 20 000 Menschen in Wawilows Forschungseinrichtungen. Er selbst hat seit 1921 ein Professur in Saratow inne und wird im Ausland mit Ehrungen überschüttet. Er ist Mitglied in vielen Akademien, in der UdSSR langjähriger Präsident der geografischen Gesellschaft und Leiter des allrussischen Agrarinstituts in Leningrad. Viele Universitäten hätten ihn gerne als Professor angeworben, ihm lag aber nichts so sehr am Herzen wie das Wohl seines Landes.
Er verfolgte einen größenwahnsinnigen Traum, leitete ein wahnwitziges Unterfangen, die Welt, und vor allem sein geliebtes Russland, für immer von Hungersnöten zu befreien, indem er alte Pflanzenverbesserte un neue züchtete, die auch in ungünstigen Klimatas und auf rauen Böden Höchsterträge bringen können. 1920 formulierte er das „Gesetz der homologen Reihen“, das in Anwendung des Mendelejew`schen Periodensystems der chemischen Elemente ermöglichte, aufgrund bekannter Daten das Vorhandensein noch unbekannter Pflanzenformen vorauszusagen. Es hatte durchschlagenden Erfolg und wurde ab da international angewandt. Wawilow hat es nicht mehr erlebt, dass in den Jahrzehnten seit dem Weltkrieg allein in der Sowjetunion 400 neue Pflanzenarten entwickelt wurden.

Wawilow war gut unterwegs zu seinem Ziel, aber er brauchte noch Zeit. Er bekam sie aber nicht mehr. Denn einer glaubte nicht an seinen Traum – Stalin.
1932/33, nach dem 1. Fünfjahresplan, herrschte die schlimmste Hungersnot der Menschheitsgeschichte, die der Diktator durch seine kurzsichtige und unbarmherzige Zwangskollektivierung und den Kampf gegen das sogenannte „Kulakentum“ selbst verursacht hatte, den Golodomor in der Unkraine und Westrusssland mit Millionen von Toten. Um den Volkszorn zu beschwichtigen und die eigenen Fehler zu vertuschen, braucht Stalin Sündenböcke, und so schlug er sich auf die Seite von Wawilows Gegnern und Neidern, die mit Scheintheorien ein schnelleres Wachstum versprachen. Allen voran steht der Halbanalphabet Trofim Lyssenko, ein kleiner Funktionär in einer aserbeidschanischen Pflanzenzuchtstation. Ironischerweise hat Wawilow diesen „proletarischen Vorzeigewissenschafter“ anfangs sogar gefördert. Lyssenko bemächtigt sich einiger Forschungsergebnisse, fälscht Daten und verspricht, innerhalb von drei Jahren neue Supersorten zu kreieren, die um 40 Prozent höhere Ernteerträge erbringen, obwohl jeder Biologe weiss, dass das unmöglich ist. Aber ein Lyssenko paßt gerade gut ins marxistische Weltbild: Sowohl Lyssenkos reiner, proletarischer Lebenslauf als auch seine Behauptung, dass er Pflanzen „erziehen“ könne, so wie andere Wissenschaftszweige den neuen Menschen, den „homo sowjeticus“, vorhersagten. Lyssenkos These hat nichts mit Wissenschaft zu tun, sonern ist reine Ideologie. Zwingt man etwa Getreide, in Kälte zu wachsen, zeugt es Nachkommen, die frostresistent sind. Setzt man Pflanzen seinen Schädlingen aus, werden sie diese besiegen. Eine veraltete Theorie aus dem 19. Jahrhundert, die nicht zuletzt schon 1853 Mendel widerlegt hat. Mit fantastischen Versprechungen, irrwitzigen, antinatürlichen Visionen, sogar im Permafrost Sibiriens Weizen und Roggen, Äpfel und Orangen wachsen lassen zu können, gewinnt er Stalin für sich. Natürlich nicht direkt, von Peron zu Person, sondern über korrupte Funktionäre, die die zurückgebliebene Republik Aserbeidschan ins rechte Licht rücken wollten. Ein irrer Tanz, von einem Irren von anderen Irren angetrieben, für den alles entscheidenen Superirren. Jenseits aller Realität. Weil Stalin schnell Ergebnisse braucht, will er einfach dem letztklassigsten Scharlatan glauben und läßt Lyssenko als den „besten Vertreter des wissenschaftlichen Sozialismus“ rühmen. Zwar scheitern Lyssenkos Versuche im Experiment, aber er war ein gevievter Demagoge und hat eine starke Lobby hinter sich.
Wie lange Lyssenko als der proletarische Wunderknabe hochgehalten wird, zeigt die groteske Kontroverse Chruschtschows mit den USA über die überragenden Vorzüge des sowjetischen Weizens und des Mais, gerade zu einem Zeitpunkt, als die UdSSR diese Getreide aus den USA importieren müssen. Die berühmte Schuh-Klopf-Szene Chruschtschows vor den Vereinten Nationen hat den Streit um Lyssenkos Lügen zum Hintergrund. Weizen und Reis wachsen noch immer nicht in den Himmel, dafür aber kommt Gagarins erste Erdumrungung. Aber am Mond wachsen nun mal keine Äpfel und Orangen,
kein Getreide, keine Erbsen und nicht einmal Gras. Daran kann auch die sowjetische Wissenschaft nichts ändern.
Irgendeinmal möchte ich in Science oder Nature oder einen adäquaten russischen Organ eine Analyse lesen, was alles Stalins Dummheit, dass er Wawilow nicht weiterforschen ließ, eingebrockt hat, uns, Russland und der ganzen Welt. One world.

Stalins sukkzesive Machtergreifung nach Lenins Tod läßt sich an der Biografie Wawilows ersehen. 1926 erhält er die höchste Auszeichnung, den Leninpreis, Jahr für Jahr wird er auf internationalen Kongressen zum Vorsitzenden gewählt, er hat einen Lehrstuhl in Saratow, leitet in Leningrad das „Allunionsagrarinstitut“, ist Leiter der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Präsindent der Geografischen Gesellschaft. Undundund. Trotzdem – oder gerade deashalb - legt 1930 Stalins Geheimdienst NCHWD eine Akte über Wawilow an, um ihn des Vaterlandsverrates zu überführen. Während er noch fieberhaft durch die Welt reiste und Samen sammelte, verschwanden immer wieder Mitarbeiter seiner Institute oder tauchten wieder auf, nachdem sie Wawilow staatsschädigendes Verhalten bezeugt hatten. Spitzel wurden in seinem Umfeld eingeschleust, die ihn auf Schritt und Tritt beobachteten. 1935 nahm er an der „Deutschen Hindukusch-Expedition“ teil und brachte von dort fast 50 000 unbekannte, noch nie erforschte Samen mit.
Wawilow spürte wohl die Gefahr. Er hätte rechtzeitig ins Ausland fliehen können, wo er für seine Arbeiten gefeiert wurde. Aber der glühende Patriot blieb und sagte: „Wir werden auf dem Scheiterhaufen brennen, aber unsere Überzeugungen werden wir nicht verraten.“ Am 6. August 1940 verhafteten Geheimdienstler den Forscher und klagten ihn des Hochverrats an. In den folgenden elf Monaten wird er 400mal verhört, oft nachts und bis zu dreizehn Stunden, in denen er ununterbrochen stehen muss.

Die Zelle ist zweimaldrei Meter groß, von der Decke baumelt eine nackte Glühbirne, das Mobilar besteht aus einem Tisch und einem Bett, auf dem sich drei Gefangene zusammendrücken. Es stinkt bestialisch im fensterlosen Raum mit einem Exkrementenkübel in einer Ecke. Einer ist der Philosoph Iwan Luppol, der darüber nachsinnt, mit welchen seiner Gedanken er bei Stalin angeeckt sein könnte, also, wofür er schuldig war. Iwan Filatow hat es einfacher – ein klarer Klassenverrat, weil sein Onkel einst einen blühenden Holzhandel führte. Nikolaj Wawilow glaubt an ein Missverständins, er ist Ethnobiologe, vielleicht der größte, den die Welt je hatte. Aber Wawilow gibt auch in diesem Elend nicht auf. Er ermuntert seine Zellengenossen, einander Vorträge zu halten: Issipow über den Holzhandel, den Philosophen über seine Thesen, er selbst referiert über seine Vision von einer hungerfreien Welt. Lange bevor das erste Genom der Pflanzen entschlüsselt wurde, lange bevor DNA, Biodiversität und Gen-Pool überhaupt Begriffe waren. Mit Karawanen zog er durch Afghanistan, Indien, Eritrea, drang in den Dschungel Brasiliens vor und bereiste viele Länder Asiens, Afrikas und fast alle Inseln der Welt. Überall sammelte er Pflanzen, Wurzeln, Triebe und Samen, um sie nach St. Petersburg/Petrograd/Leningrad an seine Samenbank zu schicken.
Aus Kamerun notiert er einmal: „Drei Tage und Nächte nur eingesackt, dokumentiert und weggeschickt. 67 000, Hände blutig.“ Er ist überzeugt, dass nur mit der Vielfalt der Erbanlagen sich immer wieder Gewächse finden und erfinden lassen, die langfristig das Überleben der Menschheit sichern können. Schon bei seinen ersten Expeditionen zu Beginn der 10-er Jahre erkennt er, dass Arten verschwinden.

Im Leningrader „Allunioninstitut für Pflanzenzüchtung“ am Isaaksplatz sammeln sich im Laufe seiner Expeditionen 250 000 Samenproben an; diese Anzahl wird kein Land je erreichen. In hunderten von Laboratorien und Versuchsfarmen quer durch die Sowjetunion werden sie gezogen, gekreuzt, erprobt und wissenschaftlich ausgewertet. Wenn er nicht auf Expedition oder auf internatinalen Kongressen ist, steht er selbst in seinem Labor an der Universität Saratow. Wurzeln, Knollen, Bohnen, Nüsse, Früchte und Gewebeproben werden eingetütet und in Containern verwahrt. Es sind Tonnen, die im Zentralinstitut in Leningrad gesammelt, katalogisiert und auf Versuchfarmen erprobt werden.
Am 6. August 1940 holt eine schwarze Limusine den Chef ab, zu einem „wichtigen Termin in Moskau“; seine Mitarbeiter wissen zwei Jahre nichts über seinen Verbleib.
Ihnen und dem eigens zusammengerufenen Wachpersonal gelingt nach dem deutschen Überfall trotzdem das Wunderbare: Den biologischen Weltschatz vor der hungernden Bevölkerung zu behüten und zu verstecken, bis zu ihrem eigenen letzten Lebenstropfen. In eisigen Räumen stehen sie, hungernd kratzen sie die letzten Reste aus den Zuckerdosen, kochen Gras, Baumrinden, Lindenblätter, Ledergürtel und Schuhe, werden krank, schwach und sterben. Aber einigen gelingt es, den größten Teil dieses Schatzes ins Umfeld hinter Leningrad zu retten, in Metallkisten, damit die Millionenrattenplage nicht an sie herankommt. Sie streifen nachts durch die Stadt auf der Suche nach Holz, sitzen tief in Kellern an Feuern, damit die Kartoffelknollen und Reis- Zwiebel-und Bohnensamples aus aller Welt nicht erfrieren, und sie erfrieren dabei selber. Sie trauern um die Kollegen, die nächsten treten an und machen weiter. Niemandem kommt in den Sinn, sich am Saatgut zu vergreifen Sie verhungern lieber, als etwas selbst zu nehmen, wie lebensrettend fett- oder zuckerreich die Kartoffel, Nüsse oder Bohnen gewesen sein mochten. Sie halten an dem höheren Zweck Wawilows Forschungen fest und opfern sich für Wawilows Zukunftstraum. Ein Mitarbeiter wird tot an seinem Schreibtisch gefunden, in der Hand ein geschlossenes Päckchen mit nahrhaften Erdnüssen aus den Drachenbergen, die ihm vielleicht das Leben retten hätten können.
Wer soll das verstehen? Eine Tautologie, nur der, Russland versteht. Ich meine, es ist umgekehrt: Wer sich auf Wawilow einläßt, hat die Chance, etwas von Russland zu verstehen.


Nach dieser Folter gesteht Wawilow, einer konterrevolutionären Organisation anzugehören. Am 9. Juli 1941 verurteilt ihn das Militärgericht in Saratow zum Tod, wo es ihn später zu 20 Jahren Arbeitslager „begnadigt.“ Am 24. Jänner 1943 wird Wawilow in die GULAG - Sanitätsstation eingeliefert. Er fiebert stark, ist bis auf Haut und Knochen abgemagert, er hat Durchfall, und auf den Beinen haben sich juckende Hungerödeme gebildet. Er steckt in einem Sack mit Löchern für Kopf und Beine, an den nackten Füßen hat er Sandalen aus Baumrindenbast. Der Mann, der auch auf den höchsten Bergen, im tiefsten Dschungel, auf dem Packpferd oder Kamel immer in Dreireiher, mit Hut und Uhrkette auftrat. Der Patriot, Forscher und Humanist, der sein Leben lang dafür gearbeitet hatte, den Hunger zu bekämpfen, stirbt zwei Tage später. Er ist verhungert.
Den Hungerlöser hat man elendiglich verhungern lassen.

Unter all den Millionen Schicksalen empfinde ich das Wawilows als eines der tragischsten, das vollständig dokumentiert ist. Und entfacht meinen immer noch größer werdenden heiligen Zorn auf dieses menschenverachtende Regime. So folgenreich können Besuche an Adressen mit ungekannten Namen sein, wenn man einmal nachgefragt hat. Wawilow wurde 1955 unter Chruschtschow formell rehabiliert. Zur Anerkennung als sowjetischer Held, zum Straßennamen der Wawilowa, zur 5-Kopeken-Sondermarke und bis zu meinem jetzigen Wissen dauerte es noch einmal 33 Jahre. Die von ihm entwickelte Süßlupine der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae) und der Zwergstern 2862 wurden nach ihm benannt. Bis jetzt konnte ich nicht mit Sicherheit feststellen, ob die Wawilowa-Straße davor tatsächlich Bulevard Lyssenko geheissen hat.


Als im Juni 1941 die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfiel, war Wawilow schon in den Verliesen des NCHWD verschwunden. Von der 900- tägigen Belagerung Leningrads bekam er nichts mit. Fast eine Gnade, dass Wawilow nicht weiss, wie grauenhaft es um die Bevölkerung und auch um seine Mitarbeiter steht. Schon im ersten Winter, einem besonders strengen mit bis zu 40 Grad, sterben 200 000 Leningrader an Hunger, Kälte und Dauerbeschuß der deutschen Artillerie. Bis zum Ende der Belagerung werden es fast eine Millionen sein, darunter 9 Mitarbeiter des Wawilow-Instituts. Wie durch ein Wunder bleibt die Sammlung der Samenvorräte fast vollständig erhalten.
In den folgenden 4 Jahrzehnten gelingt es der Sowjeunion, 400 neue Sorten aus Wawilows Samen zu züchten. 1980 wird geschätzt, dass auf vier Fünftel der sowjetischen Anbauflächen Pflanzen aus der Wawilow-Sammlung wachsen, darunter auch besonders krankheitsresistente Kichererbsen und frühkeimender Weizen. Die Zahl der Hungersnöte ist in der ganzen UdSSR drastisch gesenkt worden.

Viele Jahre nach seinem Heldentod haben andere Staaten und Institutionen den Wert von Wawilows Forschungen erkannt und Saatenbanken eingerichtet, derzeit sind es weltweit fast 1500. Zusätzlich öffnete 2008 auf Spitzbergen der „Global Seed Vault“, in den alle Genbanken der Welt Duplikate ihrer Sammlungen einlagern können. Eine solche „Rückversicherung“ ist nötig, weil nationale Genbanken durch Kriege, Budgetkrisen oder technische Pannen anfällig für Zerstörung sind.
Ein Hohn der Geschichte: Ausgerechnet Wawilows Erbe ist derzeit akut bedroht, und dabei kommt die Gefahr diesmal nicht von einem Außenfeind, sondern ist hausgemacht. Die Gier der Neukapitalisten und die Korruption der Behörden – oft in Personalunion - machen auch vor den wertvollsten Schätzen der Menschheit nicht Halt. So gieren St. Petersburger Baulöwen mit Unterstützung des Stadtrates nach dem Gelände der Zuchtplantagen von Pawlowsk, um hier in Nähe des Zarensommerpalastes Luxuswohnsiedlungen für Superreiche zu errichten. Genau auf den Flächen, auf denen die Pflanzen aus der einzigartigen Obst- und Beerensammlung des Wawilow-Instituts wachsen. Diese enthält mehr als 5700 Arten, darunter allein 893 Sorten von Schwarzen Johannisbeeren aus 40 Ländern, 634 Sorten von Apfelbäumen aus 35 Ländern. 90 Prozent der Obst- und Beerensorten aus Pawlowsk sind nirgendwo sonst auf der Welt zu finden. Nach dem Hilfeschrei der letzten heldenhaften Biologen von Pawlowsk, TV-Berichten, Geo- und Greenpeace-Aufrufen letztendlich auch internationalen Protesten will die russische Regierung angeblich die Entscheidung zur Absiedlung „noch einmal überdenken.“ Präsident Putin mit seiner Allmacht und als gebürtiger Leningrader wäre natürlich der erste, der diesen Unfug und die Schändung von Wawilows Werk mit einem einzigen Strich einstellen könnte. Davon war aber bisher kein Ton zu hören.
Experten bezweifeln, dass die raren Züchtungen von Pawlowsk aus der Wawilow-Saatbank ohne Schaden umgepflanzt werden können.
Ein trauriges Beispiel für Russlands fragwürdiges Talent, im Krieg die Feinde zu besiegen, im Frieden aber sich selbst zu bekriegen.




Veronika Seyr
25.8.16

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