Donnerstag, 8. Januar 2009

Hochzeitsrede für Hildegard und Leander

zum 1. Dezember 2008, vielleicht auch zum 31. Januar 2009

Wenn Ihr glaubt, Hochzeitsreden zu schreiben, sei einfach, ein Kinderspiel, dann täuscht Ihr Euch. Herzliche Glückwünsche für die Zukunft sind schnell gesagt und geschrieben und auch herzlich gemeint. Die Zukunft, die Welt steht ihnen offen: Häuserl werden gebaut, Bäume und Kinder gepflanzt, alles ist so sicher wie das Amen im Gebet oder die Geschenkslisten für die Jungvermählten: Kaffeemaschine oder Mixer ankreuzen? Messerset oder Staubsauger? Toaster oder den röhrenden Hirsch überm Ehebett? Computer, Drucker oder doch einen Beitrag zum neuen Auto? So ist es bei den ganz Jungen!

Aber wie ist das bei den Fortgeschrittenen – was soll man da noch wünschen oder ankreuzen? Häuserl werden wahrscheinlich nicht mehr gebaut, Kinder keine gepflanzt, Bäume ja, die kann man immer, Staubsauger, Mixer, Kaffeemaschinen und Dachziegel sind schon zur Genüge da. Das Leben gemeinsam meistern? Das tun sie auch schon lange und mit Erfolg. Was also wünschen? Ein Problem. Das Schwierige daran ist, zu erkennen, dass es das Einfache ist: man eben nichts wünschen muss, weil sie die Wünsche schon wahr gemacht haben, die beiden, in den letzten 33 Jahren, weil sie alles erprobt haben, was man ihnen nur wünschen kann und sich wünschen kann. Könnt Ihr Euch ein Leben vorstellen ohne die Freundschaft mit Hildegard und Leander? Nein! Undenkbar! Wir können und mögen uns unser eigenes Leben nicht ohne ihre Freundschaft ausmalen.

Sie haben sich in einander, beieinander bewahrt und bewährt und auch harte Proben hinter sich, in denen sie sich selbst und einander nie verloren gegangen sind. Das feiern wir heute mit ihnen, sie haben es heute offiziell besiegelt. Außerdem dürfen wir noch etwas anderes feiern: dass sie uns, ihre Freunde, ihre Verwandten und Wahlverwandten, ihre Bluts- und Freundschaftsfamilien, dabei immer mitgenommen – vielleicht auch manchmal mitgeschleppt- haben, durch alle Dickichte, Stürme, Tiefen und Höhen. Jetzt bin ich ganz mutig und wage zu behaupten, dass wir, die Wahlfamilie, so ein Teil ihres Lebens, ihrer Beziehung geworden sind wie ihre Geburtsfamilien; sie haben uns zu den Fäden im Gewebe, zu den Mustern im Teppich ihres Lebens gemacht, und weiter wage ich zu behaupten, dass die Pflege ihrer Freunde das Weberschiffchen ihres Lebens ist, mit dem sie die Mauern und Böden, die Keller, das Gebälk, die Giebel und die Türme ihrer Lebensräume so fein und schön ausgestattet haben. Also, noch einmal, was wünschen? Für uns natürlich, dass es so bleibt, dass wir weiter mitgenommen werden auf dem unermüdlichen Hin- und Her ihres Weberschiffchens, das nie den Faden verliert, keine Masche fallen lässt und immer dichter webt und webt die ewigen Muster. Hildegard und Leander sind Großmeister im Teppichweben, und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sie am glücklichsten sind über geglückte Freundschaften. Bei all ihrem eigenen Reichtum könnten sie einander ja genug sein, würde man meinen, aber nein, so sind sie nicht gestrickt- oder gewebt, sie wollen und brauchen zu ihrem Glück - zum Glück – auch noch uns.

Noch ein anderes Bild, das mir im letzten Sommer in Marokko kam: sie ziehen die Menschen wie Boote oder volle Fischernetze an Land. Wir sind immer hinter ihnen her und doch gleichzeitig neben ihnen. Sie nehmen uns mit ins Leben. Wie sie das machen, bleibt ein Geheimnis, das ich nun schon 33 Jahre mit zunehmender Faszination studiere. Wahrscheinlich geht es Euch ähnlich. Deswegen sind wir auch heute gemeinsam hier mit ihnen im Amacord und nicht anderswo.

Leander und Hildegard sind aber nicht nur Sohn und Tochter, Bruder, Schwester, Schwager, Schwägerin, Onkel und unsere Freunde, sondern sie sind in erster Linie Künstler, sie sind ein Künstlerpaar, sie sind Nektar und Ambrosia, sie praktizieren schon lange zusammen die Lebens-, Liebens und Kunstkunst. Ich habe einmal gelesen, dass Künstlerpaare wie eine Seilschaft sind, die ohne Seil auf einem ausgesetzten Grat balancieren. Es liegt etwas Utopisches in dem erklärten Ziel, sich um den Preis der Liebe in der Kunst nicht überbieten zu wollen. Denn die Liebe ist nicht konkurrenzfähig, die Liebe stirbt, wenn man sie messen wollte, anders als die Kunst, der es sterbenselend wird, wenn sie einmal nicht gemessen wird – aber das nur so nebenbei. Und Ihr wisst ja besser als ich, wie oft ein Künstlerpaar auch gescheitert ist: Picasso und Francois Gilot, Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn, Camille Claudel und August Rodin sind nur einige Beispiele, da gäbe es noch Frida Kahlo und Diego Rivera, die Taube und das Biest, bei denen es nicht so eindeutig ist, wie ja die Grenzen zwischen geglückt und gescheitert nie so deutlich zu ziehen sind. Diego Rivera hat sich einmal an die Verehrerschaft, die so genannten „Los Fridos“, gewandt: „Ich empfehle sie Ihnen nicht, weil ich ihr Ehemann bin, sondern weil ich ein fanatischer Bewunderer ihres Werkes bin.“

Und in den Schriften von Frida Kahlo habe ich einen schönen Satz gefunden, den man auch Hildegard zuschreiben könnte: „Ich glaube, dass die Kunst als Schutzschild gegen Wahnsinn und Verzweiflung dienen kann. Ich glaube, dass Bilder geboren werden wollen. Sie wählen mich, wenn ich ihnen geeignet erscheine, sie sichtbar zu machen.“

In diesem Sinne sind wir alle Los Leandros und Las Hildegardas.

Ein Blick voraus:

Der vierundachtzigjährige Andre Gorz hat an seine Frau Doreen geschrieben:

“Bald wirst Du jetzt zweiundachtzig sein. Du bist um sechs Zentimeter kleiner geworden, Du wiegst nur noch fünfundvierzig Kilo, und immer noch bist du schön, graziös und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe Dich mehr denn je.“

Ein Blick zurück:

„Mein liebstes, bestes Weibchen, mein allerliebstes Herzensweibchen!“ schreibt ein verliebter Jungvermählter am 8. April 1789 aus Budweis an seine Konstanze in Wien:

„Denkst du wohl so oft auf mich wie ich auf Dich? Alle Augenblicke betrachte ich dein Portrait – und weine – halb aus Freude, halb aus Leide! Es gibt keine einzige Verdrüßlichkeit als Deine Abwesenheit. Mit tränendem Auge schreibe ich dieses. Erhalte Dir Deine mir so teure Gesundheit und Adieu, meine Liebste, meine Beste! Du hast gar keine Ursach, traurig zu sein. Du hast einen Mann, der Dich liebt, der alles, was er imstande ist, für Dich tut.

Denke, dass ich alle Nacht, ehe ich ins Bett gehe, eine gute halbe Stunde mit deinem Portrait spreche und so auch beim Erwachen. Übermorgen gehen wir ab nach Prag, und am 4. werde ich schon wieder bei meinem liebsten Weiberl schlafen…

O stru, stru, stri! Ich küsse Dich und drücke Dich auf das zärtlichste 1 095 060 437 082 Mal (hier kannst du Dich im Aussprechen üben!) und bin ewig Dein treuester Gatte und einziger wahrer Freund-

bis an den Tod Dein

Dich von Herzen liebender

stu-stu - Mozart.“

Es lebe das Leben!

Es lebe die Liebe!

Es lebe die Kunst!

Auf Euch – Hildegard und Leander!

Veronika, am 1. Dezember 2008

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